Zum Tod von Erhard Eppler

Veröffentlicht am 23.10.2019 in Nachruf
 

Vor ziemlich genau einem Jahr, im Oktober 2018, war unser Ortsvereinsmitglied Heinz Surek unterwegs mit Erhard Eppler. Damals wurde das Buch "Erhard Eppler, Leben, Denken & Wirken", von Paul Dieterich, in Blaubeuren präsentiert. Über diese Begenung schrieb Heinz Surek einen Artikel für die Schwäbische Zeitung, den wir anlässlich des Todes Erhard Epplers heute abermals veröffentlichen wollen. [...]

Unterwegs mit Erhard Eppler

Von Heinz Surek

 

Etwas eigenartig ist es schon: Da stehe ich nun vor dem Haus Friedensberg 6 in Schwäbisch Hall, in dem Erhard Eppler lebt. Frau Irene öffnet mir, artig übergebe  ich ihr ein leinenes Präsent als Grüßle aus Laichingen, und dann erscheint auch schon Erhard Eppler selbst. Ob er  mich wohl noch kennt? Früher haben sich unsere Wege öfters gekreuzt. „Ach, du bist das“, begrüßt er mich freundlich, und dann ist der Bann gebrochen. Es gibt Kaffee und Kuchen und man tauscht Erinnerungen aus. Ich möchte, bevor wir nach Blaubeuren aufbrechen, noch den Garten sehen, über den er so viel erzählt und geschrieben hat und in dem er auch im Alter von nun bald 92 Jahren immer noch werkelt. Auf  seine Stangenbohnen, die prächtigen Kohlrabi und Zucchini sei er genauso stolz wie auf seine Bücher, meint er lächelnd.

Unterwegs auf der A7 wird natürlich politisiert und über Gott und die Welt gesprochen. Wir erzählen uns gegenseitig aus unserem Leben. Mich interessiert natürlich, was er über Weggefährten wie Gustav Heinemann, Willy Brandt, Herbert Wehner, Helmut Schmidt, Johannes Rau und andere zu berichten weiß. Spannend erzählt er, wie er zunächst bei Heinemanns „Gesamtdeutscher Volkspartei“ (GVP) mitgemacht habe, aber habe einsehen müssen, dass dies „keinen Wert“ habe. Oder wie ihm der SPD-Politiker Fritz Erler geschrieben habe: „Wenn Sie auf Ihrem Grabstein die Inschrift haben wollen: >Er hat immer recht gehabt<, bleiben Sie, wo Sie sind. Wenn Sie Politik machen wollen, kommen Sie zu uns.“

Herbert Wehner verdanke er den Spitznamen „Pietcong“. Das treffe aber gar nicht auf ihn zu. Der schwäbische Pietismus sei ihm viel zu eng. „Ich bin kein Pietist, sondern ein offener, fröhlicher, evangelischer Christ“, meint er. Das Verhältnis Brandt – Wehner – Schmidt sei schwierig gewesen. Zu wesensverschieden seien diese drei „Alphatiere“ gewesen. „Willy“ habe aber niemals ein schlechtes Wort über die beiden anderen gesagt. Umgekehrt treffe das nicht zu. Und dann sagt Erhard Eppler – mehr zu sich selbst als zu mir – sinnend und leise: „Ich bin stolz darauf, dass ich zehn Jahre lang Willy zuarbeiten konnte.“

Der Bruch mit Kanzler Schmidt sei unvermeidlich gewesen, nachdem dieser ihm die Mittel für das Entwicklungsministerium, die er bereits als Bundesfinanzminister zugesagt hatte, rigoros gestrichen habe. „In diese Regierung passte ich nicht“, ist sein Fazit. Er habe damals schon vorausgesagt, dass, wenn man nichts für die armen Länder tue, eine Einwanderungswelle auf uns zukäme, die „uns zum Polizeistaat machen“ könne.

Wir nähern uns Blaubeuren. Was ihn mit diesem Städtchen verbinde, will ich wissen. Seine Mutter sei als junges Mädchen mit einem Theologen aus der Blaubeurer Mühle verlobt gewesen. Aber schon bald sei dieser im Ersten Weltkrieg gefallen. Sie habe dann mit 22 Jahren den 14 Jahre älteren Lehrer Richard Eppler in Ulm geheiratet. Außerdem, so Erhard Eppler, hätten drei seiner Enkelkinder das evangelisch-theologische Seminar in Blaubeuren besucht. Und Laichingen? Das kenne er nur  von außen, aber gern erinnere er sich an einen Besuch der Leinenstadt am 23. Juni 2009, wo er als Zeitzeuge im „Rössle“-Saal mit Schülerinnen und Schülern des Albert-Schweitzer-Gymnasiums diskutiert habe.

Mittwochabend, 22 Uhr. Wir befinden uns bereits wieder auf der Rückfahrt nach Hall, wie Eppler seine Heimatstadt nennt, und lassen den Abend in Blaubeuren nochmals Revue passieren. Dann aber wird nicht mehr so viel politisiert, sondern mehr geplaudert. So werden auch Witze ausgetauscht, und schließlich kommt man auf das unverzichtbare Thema Fußball zu sprechen. Als Junge sei er ein leidenschaftlicher Fußballspieler gewesen und habe ganz gut gekickt, meint Eppler. In der Auswahlmannschaft des Bundestags habe er ebenfalls mitgespielt – natürlich links außen. Bei einem Benefizspiel gegen die „Helden von Bern“, die deutsche Weltmeisterelf von 1954, habe er gar dem ehemaligen Nationaltorwart Toni Turek, den Radioreporter Herbert Zimmermann einst einen „Fußballgott“ genannt hat, ein Tor geschossen. Und dann verraten wir uns gegenseitig unsere Lieblingsmannschaften: ich bekenne mich, etwas verschämt, zu den Münchener „Löwen“, und Erhard Eppler hat es mit dem Freiburger FC.

Um Mitternacht verabschiede ich mich bei einer Tasse Tee von den Epplers. Er ermahnt mich: „Fahr vorsichtig, und morgen Vormittag rufst du uns an, dass du gut nach Hause gekommen bist.“ Ich spüre, dass ich mehrere Stunden mit einem Menschen zusammen war, der mehr ist als nur ein weitsichtiger Politiker und oft zitierter „Vordenker“. Er ist jetzt schon eine historische Institution und einer der Großen im Geiste des 20. und 21. Jahrhunderts. Er hat uns wertvolle „Wege aus der Gefahr“ gewiesen. Dafür sind wir ihm dankbar. Und er heißt uns hoffen.

 

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